Wolle ist ein unglaublich vielseitiger Rohstoff, der sich derzeit immer größerer Beliebtheit erfreut. Ob Pullover, Hausschuh oder sogar Sneaker - immer mehr Hersteller in der Textilindustrie wollen sich die wärmeregulierenden Eigenschaften der Wolle zunutze machen.
Ein Grund für die stetig wachsende Nachfrage nach Woll- und Filzprodukte ist sicherlich das erhöhte Umweltbewusstsein der Verbraucher.
Wolle, als natürliches, biologisch abbaubares Material, wirkt auf den ersten Blick wie ein Paradebeispiel für nachhaltige Materialien.
Doch wie nachhaltig ist Wolle wirklich?
Im folgenden Artikel gehe ich auf die ethischen und ökologischen Aspekte ein, auf die man achten sollte, wenn man mit gutem Gewissen Woll- und Filzprodukte kaufen möchte (Lesezeit 5 Minuten).
Zur Recherche habe ich diverse wissenschaftliche Artikel zurate gezogen und mich auf einer kirgisischen Schafsfarm auch selbst als Schafsfrisör versucht (links im Bild, die schwierigen Stellen habe ich jedoch dem Profi überlassen).
Ethische Aspekte der Wollindustrie:
Wolle ist, wie jedem bekannt sein sollte, eine tierische Faser. Der Großteil der Wolle stammt von Schafen, genauer dem Vlies der Schafe. Aber auch von anderen Tieren, wie Ziegen (Kaschmir und Mohair), Alpakas, Kaninchen (Angorawolle) oder sogar Yaks und Kamelen. Für diejenigen, die strikt vegan leben, ist Wolle daher in der Regel keine Option, aber immer mehr Menschen wählen ihren veganen Lebensstil aus Gründen der Nachhaltigkeit und des Tierwohls. Da für Wolle in der Regel kein Tier getötet werden muss, ist die Herkunft der Wolle ausschlaggebend.
Tierschutzproblem "Mulesing" bei Merinowolle: Merinoschafe sind für ihr besonders kuschliges und weiches Fell bekannt. Diese Schafe sind auf die Wollproduktion hochgezüchtet, wodurch sie sehr viel Haut haben, auf der Wolle wachsen soll. Zwischen diesen Hautlappen im Bereich des Schwanzes nisten sich allerdings häufig Parasiten, wie die Fliegenmaden ein. Beim Mulesing werden diese Hautlappen entfernt.
Mulesing ist also eine Art Beschneidung, um die von der Überzüchtung verursachten Probleme wieder zu beseitigen. Meistens wird sie bei Jungtieren durchgeführt, da bei ihnen die Wunden schneller verheilen. Dass dies ein traumatisches Erlebnis für die jungen Tiere ist, steht außer Frage. Besonders bedenklich dabei ist, dass die Operation traditionell ohne Betäubung durchgeführt wird.
Merinowolle stammt zu 90% aus Australien, wo Mulesing immer noch praktiziert wird. Wer sichergehen möchte, dass er mulesing-freie Merinowolle kauft, muss auf entsprechende Zertifikate oder auf das Herkunftsland achten, da Mulesing in Neuseeland beispielsweise verboten ist.
Scherung eines Schafs bei meinem Besuch einer Schafsfarm in Kirgistan. Die einstigen Nomaden halten ihre Schafe noch auf traditionelle Weise und ziehen von Weide zu Weide. Die Schafe dort werden traditionell zur Fleischgewinnung gezüchtet und die Wolle ist nur ein Nebenprodukt. Mulesing ist bei diesen Schafen nicht nötig, da es sich um eine besondere Schafrasse handelt: Das kirgisische Fettschwanzschaf.
Auch bei der Schur der Tiere muss auf das Tierwohl geachtet werden. Gerade bei Zuchtschafen, die auf die Wollgewinnung optimiert wurden, ist es schwierig, die Tiere ohne Verletzung zu scheren. Bei normalen Schafen hingegen ist es wie ein Besuch beim Friseur. Einen guten Scherer erkennt man daran, dass das Fell noch in einem Stück zusammenhängt, wie im Bild zu sehen.
Schafe werden einmal jährlich zwischen Mai und Juli geschert. Dies ist notwendig, da das Fell sonst zu lang wird und sich Schmutz in der Wolle verfängt, wodurch Krankheiten oder Unwohlsein beim Schaf hervorgerufen werden können.
Ökologische Aspekte:
Was ist nachhaltiger, Wolle oder Baumwolle? Welcher der beiden natürlichen Rohstoffe hat den geringeren ökologischen Fußabdruck?
Um diese Frage zu beantworten, muss man eindeutig sagen: kommt drauf an!
Denn auch hier ist die Herkunft und die Art und Weise der Gewinnung entscheidend.
Einer der größten weltweiten Produzenten von Baumwolle ist zum Beispiel Usbekistan. Das trockene und heiße Klima ist ideal für das Wachstum der Baumwollpflanzen, jedoch benötigen diese für das Wachstum eine riesige Menge an Wasser, da es eigentlich eine Regenwaldpflanze ist.
Zur Bewässerung der Baumwollpflanzen wurde Wasser aus dem Aralsee genommen, welcher zu Beginn noch 125 mal so viel Wasser wie der Bodensee fasste. Inzwischen ist er auf die Hälfte geschrumpft und das Wasser ist salziger als Meereswasser, sodass die Bevölkerung kaum noch Trinkwasser hat. Zudem werden enorme Mengen an Düngemitteln und Pestiziden auf die Felder gestreut. Für ein T-Shirt, so Hochrechnungen, werden insgesamt ca. 2500 Liter Wasser verbraucht.
Doch wie schneidet Wolle dagegen ab?
Das kommt ganz auf die Haltungsart und den landwirtschaftlichen Zweck an. Für die Massentierhaltung im trockenen Australien müssen ebenfalls enorme Mengen Wasser aufgebracht werden - sogar mehr als für Baumwolle. Bei traditioneller Schafhaltung, wo die Hirten mit ihren Schafen von Weide zu Weide ziehen, bleibt hingegen alles im Zyklus.
Grünflächen, die von Schafen beweidet werden, sind sogar gesünder, da die Schafe das Unkraut abfressen und die Erdschicht festigen.
Für unsere WoolFit Hausschuhe nutzen wir beispielsweise die Wolle von kirgisischen Hirten, die ihre Tiere nach traditioneller Art der Nomaden halten.
Die Wolle ist hier nur ein Nebenprodukt, da auf der Speisekarte der Nomaden traditionell Fleisch sehr weit oben steht. Bis es in dieser Hinsicht zu einem Umdenken kommt, fällt weiterhin Wolle bei der Zucht als Nebenprodukt an.
In den entlegeneren Gebieten Kirgistans haben die Hirten oft nicht die Möglichkeit ihre Wolle zu verkaufen, da ein Überangebot vorliegt und nur das Fleisch gehandelt wird. Unsere Produktion stellt diesen Hirten in den kleineren Dörfern sogenannte "Wollauffangstationen" bereit, wo sie ihre Wolle gewinnbringend verkaufen können. Die qualitativ hochwertige Wolle wird zu Hausschuhen und Kleidung, der Rest zu Dämmwolle verarbeitet.
In diesem Zusammenhang kann man Wolle durchaus als sehr nachhaltigen Rohstoff bezeichnen. Wichtig ist auf alle Fälle, wo und wie die Wolle produziert wird. Auch deutsche Wolle kann man mit gutem Gewissen kaufen, das Massenprodukt aus Australien eher mit einem gewissen Nachgeschmack. Auf alle Fälle sollte man die Materialien, die in der Textilindustrie verwendet werden, mehr wertschätzen.
Ich hoffe, ich konnte euch einen umfassenden Überblick über das Thema geben. Für eine endgültige "Nachhaltigkeitsentscheidung" kommen sicherlich noch weitere Faktoren, wie Lebenszeit der Produkte, der Methanausstoß von Schafen (ca. ein Zehntel des Ausstoßes von Kühen), oder auch die Regionalität hinzu. Sicherlich ist es nachhaltiger, deutsche Wolle zu kaufen, anstatt Wolle aus Kirgistan. Wir von WoolFit möchten aber auch die Menschen in Kirgistan und Nepal unterstützen, die seit Jahrhunderten auf die Fertigung von Woll- und Filzprodukten spezialisiert sind und von diesem Sektor abhängen. Unser Ziel ist es, den Gedanken der Nachhaltigkeit auch im wirtschaftlichen Kontext ganzheitlich zu leben.
Benni von WoolFit